Eine Turnerin springt. Sie ist gerade kopfüber in der Luft, ihre Beine ausgestreckt in die Luft, ihr Gesicht von ihren Haaren verdeckt. Im Hintergrund sieht man nur blauen Himmel. Daneben steht "Arbeitsrecht Hacks New Pay"

Handlungsoptionen gibt es immer – selbst im engsten arbeitsrechtlichen Korsett. Das zeigt unsere Kooperationspartnerin Kathrin Hartmann (manche kennen sie von ihren Angeboten im New Pay Campus) mit den „Arbeitsrecht Hacks“. Für unsere Newsletter stellt sie Tipps und Tricks zum Thema „New Pay & Arbeitsrecht“ zusammen und lotet aus, wie neue Formen der monetären und nicht-monetären Vergütung gewinnbringend für alle umsetzbar sind.

 

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Arbeitsrecht Hack Vol. 4 - April 2023

Jetzt für Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Vergütung sorgen: 

Die Zeiten, in denen das Entgelttransparenzgesetz ein „zahnloser Tiger“ war, sind vorbei. Das zeigt spätestens das Urteil des BAG vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21. Was war passiert? Zwei Monate nach der Einstellung einer weiblichen Person (der Klägerin), stellte die Organisation einen männlichen Kollegen ein. Er sollte genau so viel Gehalt bekommen, wie man es mit der Klägerin vereinbart hatte. Das lehnte er ab. Er wollte 1.000 Euro mehr, die er auch bekam. Die Folge: Auch die Klägerin hat Anspruch auf die 1.000 Euro mehr und auf eine Entschädigung. Warum? Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) verbietet im Hinblick auf die Vergütung eine (un)mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Die Klägerin hat für die gleiche Arbeit eine niedrigere Vergütung als der männliche Kollege erhalten. Das ist eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, so eine gesetzlich verankerte Vermutungswirkung. Und jetzt das Entscheidende: Diese Vermutung kann nicht durch das Argument, der Kollege habe besser verhandelt, erschüttert werden.


Unterschiedliche Gehaltsverhandlungen können in Organisationen also zu der Pflicht führen, Entgelte anzugleichen. Einige mögen das praktische Risiko für gering erachten. Schließlich hat die Vergangenheit gezeigt, dass von dem Auskunftsanspruch nach EntgTranspG eher selten Gebrauch gemacht wurde. Außerdem gilt er nur in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten. Das ist aber nicht mehr lange so! Bald wird es einen Auskunftsanspruch unabhängig von der Größe des Unternehmens geben. So sieht es die vom EU-Parlament verabschiedete Lohntransparenz-Richtlinie vor. Ihr muss zwar noch der Rat zustimmen, davon ist aber auszugehen. Dann ist der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, die Vorgaben der Richtline umzusetzen. Damit werden noch mehr Änderungen auf Organisationen zukommen: So müssen Organisationen vor dem Vorstellungsgespräch über Einstiegsgehalt oder Spanne informieren. Für Arbeitgeber mit mehr als 100 Beschäftigten kommen Berichtspflichten über geschlechtsspezifische Lohngefälle hinzu. Ab 5 Prozent Lohngefälle müssen sie mit den Arbeitnehmervertreter:innen eine Entgeltbewertung durchführen.


Was sollten Organisationen also tun? Falls sie individuelle Verhandlungen zugelassen haben, gilt es zu prüfen, ob sie das Gehalt der Kolleg:innen anpassen müssen. Liegen keine objektiven Kriterien vor, die eine Differenzierung beim Gehalt rechtfertigen, können Rückforderungsansprüche und Entschädigungen die Folge sein. Eine individuelle Prüfung kratzt jedoch nur an der Oberfläche. Die Alternative: Unternehmen könnten den Weckruf des BAG nutzen, um klare Regeln für Vergütungsentscheidungen aufzustellen und diese transparent zu machen. Das spart Einzelfallentscheidungen, Prüfungen und Anpassungspflichten. Und unterstützt Gleichbehandlung, Nachvollziehbarkeit und einem hohen Grad an Fairness.

Arbeitsrecht Hack Vol. 3 - Februar 2023

Auf Kommunikation der Benefits achten: 

Benefits sollten für Mitarbeitende von Nutzen sein. Dafür müssen sie zunächst einmal das Benefit-Angebot kennen – schon hier versagt oft die Unternehmenskommunikation. Außerdem gilt es auch regelmäßig zu prüfen, ob die angebotenen Benefits noch Sinn ergeben, besser durch andere Leistungen zu ersetzen sind oder vielleicht auch mal gestrichen werden müssen. Vor allem, wenn man Benefits streichen oder ersetzen möchte, muss man das gut erklären. Es kann für die Gesamtheit der Mitarbeitenden besser sein oder aus wirtschaftlichen Gründen einfach notwendig. Gerade in der Krise ist das Thema. Doch Organisationen kommen dabei leicht in die Bredouille, wenn sie vorher nicht auf ihre Formulierungen und erklärende Kommunikation geachtet haben.

 

Wenn Organisationen „freiwillige“ Leistungen anbieten, bedeutet das arbeitsrechtlich trotzdem nicht immer, dass diese Leistungen „frei änderbar“ sind – auch nicht durch einen sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt (eine Standardklausel in Arbeitsverträgen). Das liegt daran, dass die Rechtsprechung an die Wirksamkeit von solchen Vorbehalten hohe Anforderungen stellt, die in Arbeitsverträgen kaum erfüllbar sind. Hinzu kommt: Häufig verwenden Organisationen die Formulierungen der „freiwilligen Leistungen“ relativ unbedacht, so dass sie damit den Eindruck erwecken, Mitarbeitende hätten – ohne bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen – Anspruch darauf. Allgemeine „Benefit-Übersichten“, die Unternehmen für ihr Employer Branding nutzen, sind oft so formuliert, dass sie rechtlich eine sogenannte Gesamtzusage an die Mitarbeitenden darstellen. Oder es entsteht eine betriebliche Übung.

 

Die Folge? Mitarbeitende erwarten nicht nur, dass sie eine „freiwillige“ Leistung (immer) erhalten – sie haben tatsächlich Anspruch darauf. Aus einer freiwilligen Leistung wird im Handumdrehen eine nicht frei änderbare Leistung. Änderungen zulasten der Mitarbeitenden sind dann nur mit deren Zustimmung oder durch Änderungskündigung möglich.

 

Damit keine falschen Erwartungen und ungewollten Ansprüche entstehen, ist also eine klare Regelung erforderlich – und auch möglich. Was möchte man unter welchen Voraussetzungen und auf welcher Rechtsgrundlage zusagen? Wo bedarf es Flexibilität für künftige Änderungen? Richtige und transparente Formulierungen, Befristungen, konkret formulierte Vorbehalte, Voraussetzungen und flankierende Informationen schaffen Rechtssicherheit – für Mitarbeitende und Organisation. Mehr noch: Werden Änderungen nötig, sorgt ein transparentes Vorgehen auch für ein größeres Verständnis der Mitarbeitenden. Also: Schaut Euch doch gleich mal Eure eigene Benefit-Kommunikation an!

 

Mehr zu Standardklauseln wie dem Freiwilligkeitsvorbehalt gibt’s in der kostenlosen Q&A und im Workshop Arbeitsverträge auf Augenhöhe.  

 

Arbeitsrecht Hack Vol. 2 - Dezember 2022

Besinnliches Arbeitsrecht:

Die Macht der „Bürokratiemonster“ brechen und über Ziele nachdenken 

Was haben das neue Nachweisgesetz (NachwG) und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gemeinsam? Richtig: Für Unternehmen versprechen sie auf den ersten Blick Bürokratie ohne Ende.
So höre ich viele Klagen: Nicht genug damit, dass durch das neue Nachweisgesetz die Arbeitsverträge überarbeitet werden müssen und viel Gedrucktes anfällt. Zu diesem „Papiertiger“ kommen für größere Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden nun die „LkSG-Pflichten“ hinzu, ab 2024 auch für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden. Sie müssen ihr Compliance-Managementsystems überarbeiten – auch im Hinblick auf Mindestlohn, Gleichbehandlung und den Gender Pay Gap. Und ab 2023 erwarten uns noch die Arbeitszeiterfassung und die Umsetzung der Whistleblower-Richtline.


Was Unternehmen konkret tun können, damit die anstehenden Neuerungen nicht nur Missmut, Kosten und Aufwand „für die Schreibtischschublade“ bringen: sich persönlich und in der eigenen Organisation auf ein klares Ziel fokussieren. Sinnlose Bürokratie mag mancherorts eine Folge von Gesetzen sein, aber, wen wundert´s, sie haben natürlich ein anderes Ziel:

  • Ziel des Lieferkettengesetzes ist der Schutz von Menschenrechten,
  • Ziel des Nachweisgesetzes ist die Transparenz der Arbeitsbedingungen,
  • Ziel der Arbeitszeiterfassung ist der Gesundheitsschutz von Mitarbeitenden und
  • Ziel der Whistleblower-Richtlinie ist der Schutz von Menschen, die wichtige Hinweise zu kriminellen Aktivitäten in Unternehmen geben.

Alles erstrebenswerte Ziele, oder? Etwas Aufwand und Bürokratie bleiben. Aber mit dem Fokus auf den Sinn und Zweck erscheint uns das nicht nur als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Das also könnte der Vorsatz 2023 sein: Einen Schritt zurück gehen und sich fragen „Worum geht’s eigentlich?“ und: „Wie erreichen wir das?“. Weniger „Das haben wir schon immer so gemacht“ und mehr Hinterfragen, Umdenken und Neudenken. Nur so werden wir zu echten Gestaltern der neuen Arbeitswelt.

Arbeitsrecht Hack Vol. 1 - Oktober 2022

Jetzt vereinbaren, welche Arbeitszeit wie vergütet wird: Das aktuelle BAG-Urteil vom 13.09.2022 (Az.: 1 ABR 22/21) zur Arbeitszeiterfassung hat in den (sozialen) Medien für viel Wirbel gesorgt. Von der Rückkehr der Stechuhrmentalität ist die Rede. Doch die Arbeitszeiterfassung ist nicht das Problem – diese ist meist recht einfach möglich. Die eigentliche Frage ist: Was ist Arbeitszeit und wie soll sie vergütet werden? Gerade in Unternehmen, die eine Form von Vertrauensarbeitszeit haben, sind die Grenzen von „echter Arbeit“ und „Gedankenarbeit“ fließend. Hinzu kommt: Die erfasste Arbeitszeit entspricht nicht automatisch der vergüteten Arbeitszeit.

 

Zum Beispiel hat der:die Arbeitgeber:in auch Zeiten zu bezahlen, in denen Beschäftigte in ihrem Auftrag auf Reisen sind (weitere Informationen dazu findet Ihr hier). Und aus der erfassten Arbeitszeit kann man nicht ohne Weiteres herauslesen, ob Überstunden vorliegen und zu bezahlen sind. Das BAG hat im Mai dieses Jahres nochmal klargestellt: Die Zeiterfassungspflicht ändert an den bisherigen Grundsätzen nichts. Mitarbeitende müssen also nicht nur die Mehrarbeit darlegen und beweisen, sondern auch, dass der:der Arbeitgeber:in die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm:ihr zumindest zuzurechnen sind. Ob und wie Überstunden vergütet werden, können Unternehmen im Arbeitsvertrag regeln. Fehlt eine Regelung, gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Übrigens: Vertrauensarbeitszeit schließt Überstunden und deren Bezahlung nicht automatisch aus.


Organisationen sollten deshalb ein klares Leitbild und entsprechende Regeln zum Thema Arbeitszeit haben. Dann können sie Arbeitsverträge und Vereinbarungen entsprechend gestalten – auch im Sinne von New Work. Mehr zur Arbeitszeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit gibt’s beim nächsten „Arbeitsrecht to go“. Und um die konkrete Gestaltung von dafür möglichen vertraglichen Regelungen geht’s im Online-Workshop „Arbeitsverträge auf Augenhöhe“.


Über die Autorin

 

Kathrin Hartmann ist Rechtsanwältin und Inhaberin von „Culture your System“.


Was Ihr sonst noch über sie wissen solltet:
#Lebensmotto Das Leben ist wie ein Puzzle 🧩
#Workshoprezept Arbeitsrecht ⚖️ vermischt mit Leidenschaft und Freude 💃
#Unbezahlbar Zeit mit meiner Tochter 👩‍👧
#Biographietitel Das Finden von Glück 🍀